Hessischer Landtagswahlkampf und der Datenschutz

Am 8.10 wird in Hessen ein neuer Landtag gewählt. Bisher haben CDU und Bündnis90/Die Grünen mit einer Koalition das Land regiert.

Egal welche Koalition die neue Regierung bilden wird: In Hessen gibt es bezüglich Datenschutz und Digitalisierung einen erheblichen Nachholbedarf:

  • Die Stärkung des Büros des Hessischen Beauftragten für Datenschutz,
  • Ein Informationsfreiheitsrecht, das seinen Namen verdient,
  • Ein flächendeckender Informatikunterricht,
  • Abschaffung der allgemeinen digitalen Überwachung von Bürgerinnen (HessenData)

Die Landtagswahlprogramme sind häufig ein Sammelsurium an unterschiedlichen Vorhaben, eine Struktur ist häufig nicht zu erkennen. Daher ist eine stringente Darstellung nicht an allen Stellen möglich, einige Schwerpunkte lassen sich trotzdem feststellen. Es gibt in den Wahlprogrammen aber auch Lücken, die darauf schließen lassen, dass die jeweilige Partei sich mit Themen wie Datenschutz, Informationsrechte oder Open-Data nur unzureichend befasst hat. Wer Genaueres erfahren will: Am Ende des Artikels können Auszüge aus den Programmen heruntergeladen werden.

Vorgehen

Von den zur Wahl stehenden Parteien wurden die Wahlprogramme von B90/Grüne, CDU, FDP, Linke und SPD unter den Aspekten Datenschutz und Digitalisierung untersucht. In diesen Wahlprogrammen wurden diese Aspekte in folgenden thematischen Zusammenhängen betrachtet:

  • Bürgerinnenrechte
  • Wirtschaft
  • Bildung
  • Verwaltung
  • Informationsfreiheit
  • Open Data – Open Source
  • Digitalität / digitaler Wandel allgemein

Als schwierig erwies sich eine stringente Zusammenstellung, da diese Themen häufig verstreut in den Wahlprogrammen behandelt werden. Auffällig ist, dass unter „Digitalisierung“ in den meisten Fällen nur die Ausstattung mit Hard- und Software verstanden wird. Die sozialen, gesellschaftlichen oder kulturellen Folgen für Bürgerinnen werden mit wenigen Ausnahmen nicht explizit benannt.

B90/ Grüne

Der Begriff Datenschutz taucht nur einmal im gesamten Wahlprogramm auf: Im Zusammenhang mit der Bekämpfung von Kriminalität und Hassrede im Internet. Dass „Datenschutz“ bei B90/Grüne statistisch nur einmal erwähnt wird verfälscht etwas das Bild. Es gibt etliche Stellen im Wahlprogramm, in denen das Thema Bürgerinnenrechte im digitalen Wandel / Digitalität angesprochen werden. Leider aber nicht explizit als eigenes Thema.

Große Bedeutung messen B90 / Grünen der ökologischen Wirtschaftsförderung bei. Vor allem die Verbesserung der Netzstrukturen wird hervorgehoben. Digitalisierung erscheint ein zentraler Antriebsmotor, die Auswirkungen auf die Arbeitenden treten in den Hintergrund.

Zudem werden Bildungsfragen umfangreich angesprochen. Aber auch hier, wie im gesamten Dokument, wird immer wieder auf die Ausstattung Bezug genommen. Formulierung von Lernzielen bezüglich Datenschutz oder Digitalität erscheinen nachrangig.

Störend ist, dass immer wieder als eigener Erfolg verkauft wird, was von anderen, z.B. dem Digitalministerium von Sinemus, mindestens mit entwickelt wurde, so z.B. der Digitalpakt Beschluss der KMK), die Gigabit-Strategie oder die digitale Schule.

Informationsfreiheit spielt keine Rolle, allerdings treten B90 / Grüne allgemein für die freie Verfügbarkeit von Wissen (Open Data und Open Code) ein.

CDU

Auffallend häufig ist die Verwendung des Wortes „ideologiefrei“ und ganz häufig wird „Beschleunigung“ durch die Ausweitung von digitaler Ausstattung versprochen.

Digitalisierung/Digitalität erscheint zum einen als eine Bedrohung, zum anderen vor allem als Wirtschaftsförderprogramm.

Der Begriff Datenschutz taucht nur an einer Stelle auf: „Der Kinderschutz steht vor dem Datenschutz“. Als Mittel zur Bekämpfung von sexualisierter Gewalt werden dann konsequenterweise Vorratsdatenspeicherung sowie umfassende Videoüberwachung gefordert.

Die öffentliche Verwaltung soll vereinfacht werden. In Handwerk und Wirtschaft: sollen die Einführung digitaler Werkzeuge sowie die Förderung und leichte Anpassung der bestehenden Strukturen voran getrieben werden. So soll Wohlstand durch Förderung der digitalen Infrastruktur und Vereinfachung der Verwaltung erreicht werden.

Das bestehende Digitalministerium soll zu einem „Zukunftsministerium“ ausgebaut werden, dessen Hauptaufgabe umfassender als bisher in der Beschleunigung von Innovationen bestehen soll.

Im Bildungsbereich soll die „Digitale Schule“ erweitert werden.

Viele Aspekte, in denen der Schutz der persönlichen Daten oder der demokratischen Umgang mit Digitalstrukturen von Bedeutung ist, bleiben schwarze Löcher: Zu den Themen Kultur, Weiterbildung, Klimaschutz gibt es so gut wie keine Aussagen. Auch die Informationsfreiheit oder Open-Data sind kein Thema.

FDP

Am umfangreichsten und am deutlichsten hat sich die FDP mit Fragen des Datenschutzes und der Digitalität beschäftigt

Bezüglich der Bürgerinnenrechte hat sie klare und detaillierte Positionen:

  • Ablehnung von Staatstrojaner
  • Keine Vorratsdatenspeicherung
  • Kein predictive policing (Palantir, HessenData)
  • Keine Chatkontrolle
  • Opt-In-Verfahren im Internet
  • Verbesserung der Informationsfreiheit
  • Recht auf Anonymität und Pseudonymität

Gleichzeitig sieht auch die FDP die Digitalisierung als Chance der Wirtschaftsförderung und mahnt eine Entschlackung der Verwaltung an. Hier will sie überflüssige Regelungen abbauen sowie ein hessisches Datenschutzsiegel einführen, um Datensicherheit zu dokumentieren.

Die Digitalisierung im Gesundheitswesen wird gefordert, die Bürgerinnen sollen allerdings die Datenhoheit behalten (Opt-In).

Umfangreich sind die Forderungen zur Bildung: Medienbildung stärken, die Einführung eines allgemeinen Fachs „Informatik“ und Ausbau der Weiterbildung für Lehrerinnen sind zentrale Punkte.

Bürgerinnenbeteiligung ist ein weiterer wichtiger Punkt: Die Einführung einer eID, die höchsten Datenschutzstandards entsprechen soll und in der die Datenhoheit der Einzelnen zentral sein soll.

Die Bürgerinnenrechte sollen durch eine Änderung des Informationsfreiheitsrechts wesentlich verbessert werden, es wird eine Open-Data-Strategie gefordert, die alle Daten der Verwaltung ohne Personenbezug zur Verfügung stellen soll. Ebenso soll Open-Source gefördert werden.

Linke

Der Begriff „Datenschutz“ wird bei der Linken im Zusammenhang mit Polizei und Bildung an drei Stellen verwendet:

  • Im Bildungsbereich sollen digitale Hilfsmittel gefördert werden und der Datenschutz gegen den Einfluss der großen Konzerne genutzt werden.
  • Bei der Polizei werden Datenschutzmaßnahmen gefordert, eine genauere Beschreibung, wie und wo fehlt aber.

Weiterhin lehnt die Linke die Gesichtserkennung sowie Videoüberwachung ab und sprechen sich gegen das Versammlungsfreiheitsgesetz aus.

Der Fokus der Linken richtet sich allgemein auf die Auswirkungen von Digitalisierung / Digitalität auf Bürgerinnen. Sie richtet sich nicht grundsätzlich gegen die Nutzung von digitalen Geräten und Strukturen.

So wird beispielsweise die Digitalisierung im Gesundheitsbereich (eID) von der Linken akzeptiert und unterstützt, allerdings nur dann, wenn eine Verbesserung der Lage von Patientinnen und Arbeitenden erreicht werden kann.

Diese Haltung gilt generell für Wirtschaftsförderung, Bildung, Verwaltung und Kommunalpolitik. Es wird eine Reform des Informationsfreiheitsgesetz gefordert, so dass ein Recht auf Auskunft für kommunale Daten entsteht.

Grundsätzlich tritt die Linke für die Nutzung von Open-Source ein, ebenso für Open-Data bei Veröffentlichungen von universitären Forschungsergebnissen.

SPD

Datenschutz wird vor allem als rechtliches Problem gesehen, nicht als gesellschaftliche Aufgabe. Der Begriff Datenschutz taucht daher als Unterpunkt zum Thema Justiz auf. Viele Fragen zu Digitalisierung werden auch unter dem Punkt „Finanzen“ geführt.

Die SPD vertritt bei Bürgerinnenrechte folgende Ziele

  • Digitale Souveränität der Bürgerinnen
  • Open Data
  • Unterstützung der Kommunen bei Informationsfreiheitssatzungen.
  • Stärkung des Büros des Datenschutzbeauftragten

Wirtschaftspolitisch tritt die SPD für die weiterer Digitalisierung und weitere Transformation ein und betont, dass sie in diesem Prozessen auf der Seite der Arbeitnehmerinnen stehe. Die digitale Infrastruktur des Landes soll weiter ausgebaut werden.

Bildung wird umfangreich behandelt: Sowohl Regelschulen als auch Berufsschulen sollen besser ausgestattet werden und der Fortbildung/Erwachsenenbildung verbessert werden.

Verwaltungsvorgänge sollen vereinfacht werden und bis Ende der Legislaturperiode alle Vorgänge online verfügbar sein.

Grundsätzlich tritt die SPD für Open-Data und Open-Source, konkret benennt sie diese Punkte im Zusammenhang mit Justiz und Datenschutz.

Auszüge aus den Programmen