RTB? DSA?
Amazon, Google, Instagram…: Alles kostenlos. Aber wie geht das? Wer verdient im Internet eigentlich wie das große Geld? Und ist das denn so schlimm, wenn ich Werbung angezeigt bekomme? Und wie geht das eigentlich, dass Nutzerinnen politische Botschaften untergeschoben bekommen?
Wer spielt mit meinen Daten?
Im „freien“ Spiel der Internetökonomie nehmen kommerzielles wie politisches Marketing eine zentrale Rolle ein. Es werden im Internet keine physisch realen Produkte erstellt, allerdings gibt es auf den Webseiten Werbeflächen mit einer Reichweite, von der früher die Printmedien geträumt hätten.
Unter kommerziellen Aspekten werden beim Kauf und Verkauf von Werbeflächen ungeheure Geldmengen verschoben und von politischen Gruppierungen wird das Wissen über (fast) alle Bereiche der realen Welt zur Einflussnahme genutzt.
Wer sind eigentlich die Beteiligten an dieser Anhäufung von virtuellen Werten? Und wie funktioniert das Zusammenspiel ?
1. Die Nutzerinnen
Jede Person, die das Internet nutzt, liefert Informationen über sich und sein eigenes Verhalten an verschiedene Institutionen. Das geht über die einfache Mitteilung durch das Internetprotokoll http an einen Webseitenbetreiber, von welcher Seite mensch kommt, bis hin zu umfangreichen Informationen über das Verhalten im Internet und damit auch im Privaten. Wenn mensch eine App installiert, wird für sie häufig eine Werbe-ID auf dem Smartphone oder dem PC gespeichert.
2. Die Provider
Für die Realisierung eines Angebots im Internet , seien es Waren oder Dienstleistungen, braucht es technische Infrastruktur. Vor allem Server, Router und die Steuerung der Kommunikation wird von diesen Providern zur Verfügung gestellt. Bekannt sind vor allem die Telekom oder O2. Weniger bekannt ist, dass Amazon mit seinen AWS (Amazon Web Services) der größte Anbieter weltweit ist.
Die Provider verkaufen technische Dienstleistungen und sind vor allem an den technischen Daten interessiert. Sie wollen durch die durch Optimierung des Zugangs zu Internetangeboten und den Ausbau der technischen Basis einen möglichst umfangreichen und schnellen Service für die Nutzerinnen und IT-Firmen bieten.
3. Die Betreiber von Internetseiten
Die Betreiber von Internetseiten verfolgen vielfältige, teilweise gegensätzliche Interessen. Sie wollen:
- möglichst neutral und ohne Gewinnabsicht Informationen für andere Menschen zur Verfügung stellen (Wikipedia, OpenStreetMap, e-Bildungslabor,…)
- Handel mit Waren und Informationen betreiben und dafür Kunden und deren Daten gewinnen (Amazon, der Spiegel, Heise…)
- politisch oder ideologisch Einfluss nehmen (Parteien, Gewerkschaften, Kirchen,…)
4. Anbieter von Produkten und Dienstleistungen
Die Möglichkeiten, die das Internet bietet, um Geld zu verdienen, wird vor allem von Herstellern von Produkten oder Anbieter von Dienstleistungen genutzt. Sie wollen ihre Angebote mit Werbung interessierten Personengruppen oder Institutionen bekannt machen. Auch politische und ideologische Gruppen oder Institutionen wollen das Internet nutzen, auch wenn sie keine direkten Gewinne erzielen. Bei diesen liegt der ideologische Gewinn in politischer Einflussnahmen.
5. Datensammler
Online-Marketingfirmen sammeln Daten, die durch verschiedene Trackingmethoden erfasst werden, um Profile von Nutzerinnen zu speichern.
Die in solchen Profilen gespeicherten Daten sind zum Beispiel
- das Alter,
- das Geschlecht,
- die Ausbildung,
- die Nutzungsdauer eines Smartphones,
- die Häufigkeit der Tastaturanschläge der Nutzerinnen,
- der Standort,
- Vorlieben für bestimmte Speisen,
- politische Interessen,
- der Ladezustand des Smartphones,
- welcher Browser wird genutzt,
- …
Diese Profile von Menschen oder Firmen mit hunderten bis tausenden solcher Merkmale werden ausgewertet und strukturiert. Es können auf diese Weise Menschengruppen definiert werden, die in der Folge Zielgruppen für Werbung oder politische/ideologische Einflussnahmen sind, der Fachbegriff dazu ist das sogenannte Targeting.
Die so gesammelten und strukturierten Daten mit individualisierten Profilen werden verschiedenen Interessenten wie Handelsfirmen oder politischen Organisationen verkauft.
Zwei Beispiele
Zwei Beispiele sollen die Aspekte der Monetarisierung des Internet verdeutlichen.
- Beispielsweise gibt es unter den Internetnutzerinnen sicher eine Gruppe von Frauen, die in den vergangenen drei Wochen im Internet nach Schwangerschaftskleidung und Eheringen gesucht haben. Diese Personen sind sicherlich gute Ansprechpartnerinnen für einen Spezialversand von Hochzeitsaccessoires. Die Zielgruppe könnten durch folgende Merkmal gekennzeichnet sein: Frauen, die nicht verheiratet und zwischen 18 und 40 Jahren alt sind sowie auf Google aktuell nach festlicher Kleidung suchen.
- Ein Spezialversand für Hochzeitskleidung lässt nun von einer Onlinewerbeagentur Anzeigen entwerfen, die mit den entsprechenden Kennzeichnungen „weiblich“, „Alter 18-40“, „festliche Kleidung“ versehen werden.
- Eine andere Zielgruppe sind z.B. junge Männer, die arbeitslos sind, eine handwerkliche Ausbildung haben und häufig mit anderen Arbeitslosen und Menschen chatten, die die Regierungspolitik ablehnen. Sie sind wahrscheinlich leicht von der Notwendigkeit einer Steuerbefreiung für Handwerksberufe zu überzeugen.
- Für eine politische Kampagne mit dem Ziel, junge Männer von der Notwendigkeit einer Steuerbefreiung für Handwerksberufe zu überzeugen, beauftragt eine Partei eine Marketingagentur, entsprechende Online-Anzeigen zu erstellen.
Wie kommt das zusammen?
Um Nutzerinnen, Provider, Betreiber von Internetseiten oder Apps, Anbietern von Produkten und Dienstleistungen sowie Datensammler unter einen Hut zu bekommen, gibt es spezialisierte Makler für Online-Werbung. Diese Makler wenden vor allem zwei Methoden der digitalen Vermittlung von Werbeflächen auf Internetseiten an, AdNetwork und AdExchanges.
AdNetwork
Betreiber von Webseiten geben den Vermittlern Informationen darüber, zu welchem Preis sie Werbeflächen auf ihren Webseiten mit welchen Kriterien vermieten. Makler für Online-Werbung suchen dann in ihren Datenbanken nach Firmen oder Institutionen, die Werbung für ihre Produkte oder Dienstleistungen schalten möchten. Wenn der Vorschlag des Webseitenbetreibers und das Interesse der werbenden Firma zueinander passen, wird ein Angebot an den Webseitenbetreiber erstellt, in dem ihm der Preis für die Werbefläche mitgeteilt wird. Er kann dann entscheiden, wer zu welchen Konditionen Werbung auf seinem Internetauftritt schalten kann.
AdExchanges
Die Weiterentwicklung dieses Verfahrens ist „AdExchanges“. In diesem Verfahren, auch „Programmatic Advertising“ genannt, wird der gesamte Prozess des Mietens von Werbefläche durch Produktanbieter bei den Betreibern von Internetseiten durch Algorithmen gesteuert. Das Besondere an diesem Verfahren: Es wird in Millisekunden abgewickelt, die Nutzerinnen bekommen überhaupt nicht mit, warum und wie welche Werbung in ihrem Browser dargestellt wird. Die größten Anbieter für diese Verfahren sind zur Zeit (Juli 2024)„Doubleclick Ad Exchange“ von Google, inzwischen unter dem neuen Namen AdX, und von Microsoft „Advertising Exchange“, in das XandR integriert ist.
Um eine Vorstellung zu bekommen, wie viele Daten gespeichert und ausgewertet werden, ist ein Blick auf die Anzahl der Kriterien zur Klassifikation von Nutzerinnen: 650.000. Darin befinden sich u.a. folgende Kriterien: „Dating and Love Seeker“ oder „Hopeless Romantics“ oder auch „affectv_neg_uspolitics (Grapeshot)“ und „Human Rights / Civil Rights Business Address“
Am 16.7.2024 wurde bekannt, dass rund ca 3,7 Millionen Standortdaten in Deutschland (mehrere hundert Gigabyte reiner Text) von einem Datenhändler als „Schnupperangebot“ Interessenten zur Verfügung gestellt wurden.
Wie funktioniert AdExchange?
Bei den AdExchange-Verfahren wird am häufigsten das sogenannte Real Time Bidding (Echtzeit-Auktion) angewandt. Technisch betrachtet kommen folgende Bestandteile zusammen:
- SSP (Supply Side Platform) Eine Plattform, in der die Daten der Angebote von Betreibern von Internetseiten gespeichert sind. Sie enthält alle Merkmale, die bei der Schaltung ein Anzeige aus Sicht eines Website-Betreibers zu beachten sind.
- DSP (Demand Side Platform) enthält die Anforderungen der Werbetreibende, z.B. Inhalte und Umfang von Werbekampagnen. In unseren Beispielen die Definition der zu bewerbenden Produkte und Dienstleistungen.
- DMP (Data Mangement Platform) bereitet Daten auf, die im Vermittlungsprozess benötigt werden. Aus allen gesammelten Daten werden in der DMP Kundenprofile erstellt, Zielgruppen definiert, Bedeutung von Wetterlagen auf Werbeangebote (Regenschirme bei Regenwetterlagen) definiert oder die Auswirkungen von politischen Ereignisse auf Werbeinhalte (Kriege und Ölpreise) eingeschätzt. Die so aufbereiteten Daten stellt die DMP der SSP (Supply Side Platform) und der DSP (Demand Side Platform) zur Verfügung.
- AdExchange-Marktplätze sind die eigentlichen Vermittler. Hier werden die von SSP und DSP gespeicherten Daten in Millisekunden mit Hilfe der in der DMP gespeicherten Nutzerinnenprofile verglichen. Bei Übereinstimmung der jeweiligen Anforderungen wird dann der Werbeplatz auf den Webseiten genutzt und Preise festgelegt. Sowohl Anbieter von Werbeplatz als auch Werbetreibende sind häufig an mehrere AdExchange-Marktplätze angeschlossen.
Ablauf
Die automatisierte und in Millisekunden durchlaufende Abfolge sieht dann so aus:
- Eine Nutzerin geht auf eine Webseite.
- Mit dem Aufruf der Webseite übermittelt der Browser verschiedene Identifikationsmerkmale der Nutzerin an den Betreiber der Webseite.
- Der Betreiber der Webseite wiederum übermittelt diese Informationen an verschiedene AdExchange-Marktplätze,
- Jetzt wird die SSP des AdExchange-Marktplatzes aktiv und schickt eine Anfrage an alle Anbieter auf dem AdExchange-Marktplätze
- Die DSP gleichen das Angebot der SSP ab, dabei werden die Daten aus der angeschlossenen DMP ausgewertet.
- Bei Übereinstimmung wird die Online-Anzeige dem Webseitenbetreiber übermittelt.
- Die Online-Anzeige wird vom Browser auf der Webseite angezeigt.
Adblocker
Diesen Prozess der Auswertung von Nutzerinnendaten können Nutzerinnen unterbrechen, indem sie sogenannte AdBlocker in ihren Browsern verwenden. Sie könne als Plugins leicht in den jeweiligen Browsern installiert werden. Diese schränken der Datenfluss vom eigenen Webbrowser zu den Datensammlern ein.
Bekannte Adblocker sind:
- uBlock Origin (Open Source, am meisten verbreitet)
- Adblock Plus (Open Source)
- Privay Badger (Open Source, besonderer Schwerpunkt Schutz der persönlichen Daten)
- AdBlock (Closed Source, undurchsichtiges Geschäftsmodell)
Quellen
https://datenbasiert.de/real-time-bidding
https://blog.hubspot.de/marketing/ad-exchange
https://blog.hubspot.de/marketing/programmatic-advertising
https://policies.google.com/privacy?hl=de&fg=1#infocollect
https://interaktiv.br.de/ausspioniert-mit-standortdaten/index.html